Gespielte Demokratie
Heute ist er online gegangen: Der Wahl-O-Mat. Wir beantworten wieder politische Fragen, die uns beschäftigen. Und bekommen Parteien vorschlagen, die wir nicht wählen. Auch wenn wir uns nicht an sein Ergebnis halten, bringt der Wahl-O-Mat etwas Schwung in die Europawahl am 25. Mai. Mit einem einfachen Trick: Inhalte.
Der Wahl-O-Mat bietet intellektuelle Erholung von leeren Wahlslogans wie „Arbeit und Wachstum“ oder „Ein Europa der Chancen“. Seit 2002 geht er vor wichtigen Wahlen online. Die ursprüngliche Idee: Jungwählern über Inhalte der Wahlprogramme eine Entscheidungshilfe bieten. Sieben Jahre später konnten alle Parteien teilnehmen und er wurde zur Institution: Bis heute 39 Millionen mal genutzt. Inhalte statt Wahlkampffolter, ohne dass man sich durch Parteiprogramme wühlen muss. Das Konzept machte die Bundeszentrale für politische Bildung zum politischen Marketer. Schon mancher Politiker fürchtete Beeinflussung. Doch die Sorge war unbegründet – Wahltraditionen sind hartnäckig.
Stell Dir vor es sind Wahlen und keiner geht hin: Weniger als die Hälfte ist bei der letzten Europawahl wählen gegangen, obwohl Deutschland die meisten Abgeordneten in Brüssel stellt. Der Wahl-O-Mat wird die geringe Wahlbeteiligung nicht ändern und die Legitimationskrise der Parlamente nicht überwinden. Denn der Wahl-O-Mat nimmt Wahlprogramme wörtlich – die Volksvertreter nach der Wahl weniger. Das hat der Wähler gelernt, die Maschine noch nicht. Spaß bringt er dennoch: Wen würden wir wählen, wenn es um Inhalte ginge?