Hausgemachte Empörung
von Melina Diaz Troyano und Michael Erlemeier
RTLs neues Format deckt auf: Der in die Jahre gekommene Enthüllungsjournalist Günter Wallraff versammelt exklusiv ein Team aufstrebender Journalisten, um die großen Skandale im Privatfernsehen zu verkünden. Gestern Abend war es wieder so weit. Nach Zalando stand diesmal ein Franchisenehmer von Burger King auf dem Prüfstand: Ergün Yildiz.
Der Geschäftsführer von 91 Fastfood-Filialen ist bereits seit Längerem für eine straffe Geschäftsführung bekannt. Arbeitsbedingungen, Tariflöhne und Betriebsratsarbeit schienen ihn wenig zu begeistern. Dafür die Gewinnspanne. Das Wallraff-Team machte nun die Probe aufs Exempel und prüfte vor laufender Kamera die Hygiene- und Arbeitszustände in fünf verschiedenen Filialen. Das Ergebnis ist erschreckend – das Ausmaß tatsächlich unerwartet extrem. Eine Mitarbeiterin putzt mit bloßen Händen die Toilette, im Anschluss wirft sie das Fleisch auf den Grill. Abgelaufene Lebensmittel werden umetikettiert und an den Kunden gebracht und Laborproben aus der Küche haben Darmbakterien nachgewiesen. Die Reaktion in den sozialen Kanälen war vorauszusehen: Empörung. Sie ist blankes Kalkül der Enthüllungs-Doku. Der Multiplikator Empörung ist beste PR für das Wallraff-Team und zwingt betroffene Unternehmen Stellung zu beziehen. Zalando kommunizierte nach Lehrbuch – Burger King ließ sich nun Zeit. Dennoch macht die Pressestelle vieles richtig. Klar ist: Die Sendung verschafft Kommunikationsabteilungen viel Arbeit. Es zeigt sich schnell, wer Krisenkommunikation beherrscht. Doch leistet die Sendung mehr?
Die Erkenntnisse aus der Sendung `Team Wallraff deckt auf` sind ungewollt banal. Das Team deckt nicht auf, wie der Titel glauben machen will, sondern hält die Kamera drauf: auf hinreichend bekannte Arbeitsbedingungen der deutschen Wirtschaft. Unwürdige Arbeitsbedingungen, miserable Bezahlung und unbezahlte Überstunden sind Alltag. Die Ohnmacht vor der Finanzmacht und die existenzielle Abhängigkeit von der Lohnarbeit lassen Arbeitnehmer schweigen – auch bei RTL. Die Konsequenzen erleben wir. Wallraff schafft Öffentlichkeit, die Netzgemeinde ist empört, und alles bleibt, wie es war.